10. März 2018
veröffentlicht von: Andrea Böttcher,
Kinderkrankenschwester
Fachkraft für Stillförderung, Laktationsberaterin, Stillbeauftragte für die Klinik
Referentin für Stillen und Säuglingsnahrung
Viele Frauen fragen sich - besonders wenn sie das erste Kind zur Welt gebracht haben: Woran erkenne ich eigentlich, ob ich genug Milch für mein Baby habe?
Es ist eine berechtigte und sehr gute und wichtige Frage. Viele Eltern stellen sich diese Frage und lassen sich gerne durch gut gemeinte Ratschläge verunsichern. Schnell kommt die Antwort: "Wenn Dein Baby nicht länger wie 3 oder 4 Stunden am Stück schläft." oder "Wenn es ständig schreit - besonders am Abend - dann hat es Hunger, die Milch reicht nicht."
Leider gibt es sehr viele Märchen und Halbwahrheiten zu diesem Thema, daher gehen wir der Frage einmal auf den Grund.
Ja, für manche Menschen wäre es praktisch, wenn wir Frauen beim Stillen eine Skala an der Brust hätten, die genau aufzeigt, wie voll oder wie leer die Brust ist. Da wir Frauen aber nicht mit solchen "praktischen" Gerätschaften ausgestattet sind, muss es also einen anderen Weg geben. Und den gibt es auch: die Entwicklung Eurer Kindes, besonders in Bezug auf das Gewicht!
Folgende Kriterien geben Aufschluss über die Milchmenge:
- Stillen
- Gewichtsentwicklung des Kindes
- Ausscheidung des Kindes
- körperliche Reaktionen des Kindes
An den folgenden Punkten könnt Ihr erkennen, ob Ihr genug Milch für Euer Baby habt:
Stillen:
Besonders direkt nach der Geburt sollte ein Kind innerhalb der ersten 6 Stunden angelegt werden, damit der Körper der Mutter sich auf das Stillen einstellen kann und das Kind gut versorgt ist.
Der Magen eines Neugeborenen ist etwa nur so klein wie eine Kirsche oder eine Haselnuss. Das bedeutet, dass auch nicht viel Milch hinein passt. Daher ist Euer Baby darauf angewiesen, regelmäßig gestillt zu werden. 8-12 Stillmahlzeiten in 24 Stunden - gerne auch öfters - ist da vollkommen normal!
Die erste Milch, die Ihr bildet, das Kolostrum, ist eine wahre Bombe an Inhaltsstoffen und versorgt Euer Baby mit allem, was es braucht: Flüssigkeit, Fett, Eiweiß, Kohlenhydrate, Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und unzählige Immun- und Wachstumsfaktoren. Es versorgt das Baby in den ersten Tagen optimal und schützt es vor Umwelteinflüssen und Infektionen.
Wenn Ihr Euer Kind in den nächsten Tagen regelmäßig stillt, setzt nach etwa 3-4 Tagen - bei einigen Frauen etwas früher, bei anderen etwas später - der sogenannte "Milcheinschuss" ein.
Der Name lässt vielleicht vermuten, dass dieser "Einschuss" auf einmal da ist. Es handelt sich hier aber um einen schleichenden Prozess und nicht alle Frauen bemerken ihn überhaupt. Im Milcheinschuss beginnt die Brust die Milchproduktion umzustellen, aus Kolostrum wird die sogenannte "reife Frauenmilch" und eine zunehmende Produktion wird eingeleitet. Es ist möglich, dass die Brust in dieser Zeit deutlich an Volumen zunimmt, spannt, heiß wird und evtl. etwas gerötet ist. Diese Symptome können auch von Spannungsschmerzen begleitet werden.
Aber das ist ein normaler Vorgang und es sollte ganz normal weitergestillt werden!
Meist vermindert ein gutes Stillmanagement die Auswirkungen des Milcheinschusses deutlich. Wer unter den Auswirkungen "leidet", kann die Brust nach dem Stillen z.B. mit Weißkohlblättern kühlen.
Es ist übrigens nicht so, dass sich Unmengen von Milch in der Brust befindet. Nein, das meiste ist einfach nur geschwollenes, sehr gut durchblutetes Gewebe und Lymphe.
Meist beginnt im Milcheinschuss auch das Kind anders zu trinken: erst nimmt es kurze schnelle Züge, um den Milchspendereflex auszulösen, dann werden die Züge langsamer und kräftiger und man hört etwa alle 2-3 Züge ein Schlucken. Immer wieder wird das Baby kurze Verschnaufpausen einlegen und dann weiter trinken.
Wie lange das Baby trinkt, kann ganz unterschiedlich sein. Einige trinken langsam und gemütlich mit vielen Pausen, andere schnell und hektisch und sind nach 5-10 Minuten vielleicht schon fertig. Das kann von Kind zu Kind ganz unterschiedlich sein.
Tipp 1 ist also: Ohren auf und hingehört!
Körperliche Reaktionen des Kindes:
Ein Kind, das genug Milch erhält, ist rosig, fit und munter. Es sollte sich regelmäßig und selbstständig melden und bei Bedarf auch einmal lautstark seinen Unmut verkünden. Hungrige Kinder sind auf der Suche, sie drehen ihren Kopf hin und her, reißen den Mund auf, schmatzen und stecken sich die Finger bzw. Händchen in den Mund. Oder aber auch alles andere, was gerade in der Nähe ist. Schreien ist immer das allerletzte Zeichen, das einem Baby zur Verfügung steht, um auf seinen Hunger oder ein "Problem" aufmerksam zu machen. Du erleichterst Dir das Anlegen ungemein, wenn Du nicht erst mit dem Stillen beginnst, wenn Dein Kind schon schreit, sondern wenn Du frühe Hungerzeichen beachtest.
Ein hungriges Kind ist auch von seinem Muskeltonus angespannt. Im Laufe der Stillmahlzeit setzt dann ein echtes Wohlgefühl der Sättigung bei den Kindern ein und sie beginnen sich durch Nahrung und Körperkontakt zu entspannen. Besonders gut siehst Du das an den Händchen. Zu beginn einer Stillmahlzeit haben viele Kinder noch die Faust fest verschlossen. Sind die Babys satt, ist auch die Hand offen und entspannt.
Tipp 2: Hinsehen wie sich das Kind bei der Mahlzeit "verändert"!
Ausscheidung:
Je mehr das Kind trinkt, umso besser bzw. mehr wird es auch ausscheiden! Das bedeutet folgendes: am Tag der Geburt wird das Kind etwa 1-2 nasse Windeln haben. Die erste Stuhlausscheidung, das Mekonium - eine sehr zähe, klebrige, schwarze Masse - sollte Euer Baby nach spätestens 8-12 Stunden ausgeschieden haben.
Muttermilch regt die Verdauung an, das bedeutet dass auch der Stuhlgang in den nächsten Tagen häufiger wird. Auch verändert sich Farbe und Konsistenz. Aus dem sogenannten Kindspech wird Muttermilchstuhl: von neon-grün bis gift-gelb, spritzend, zerhackt, sämig, pastös - alles ist dann möglich. Nach dem Milcheinschuss haben die meisten Kinder etwa 5-6 nasse, schwere Windeln und mindestens 2-5 Stuhlwindeln am Tag. Allerdings gibt es auch hier Kinder, die es etwas anders machen! Für einige Kinder ist es nach einigen Wochen ganz normal, eine Stuhlfrequenz von 2-5 Stuhlwindeln/Tag bis hin zu 1 Stuhlwindel in 14 Tagen zu haben. Wichtig dabei ist immer, dass es dem Kind gut geht und es sich nicht quält.
Tipp 3: Der Windeltest: 5-6 Urinwindeln und meist 2-5 Stuhlwindeln täglich!
Gewichtsentwicklung:
Es ist ganz normal, dass die Kinder nach Geburt erst einmal an Gewicht verlieren. Das Geburtsgewicht wird auch zusätzlich "verfälscht", wenn Du als Mama unter der Geburt viele Infusionen oder Medikamente erhalten hast. Auch ist entscheidend, wie früh mit dem Stillen begonnen wurde und wie gut die Ausscheidung - besonders des zähen Mekoniums - funktioniert. Ein Gewichtsverlust von bis zu max. 7% ist ganz normal.
Bis zum Milcheinschuss stabilisiert sich der Gewichtsverlust langsam, dabei sollten allerdings 7-10% des Geburtsgewichts nicht überschritten werden. Ansonsten sollte dringend eine ausführliche Stillberatung erfolgen, um ein Zufüttern von Nahrung zu vermeiden.
Ab etwa dem 5. Lebenstag nehmen die Kinder meist wieder zu, etwa 20-35 g/Tag. Wichtig ist, dass sich das Kind in den nächsten Wochen und Monaten entlang der individuellen Perzentile entwickelt bzw. zunimmt. Dabei muss man aber sagen: Kinder wachsen nicht nach Lineal.
Einige nehmen konstant an Größe und Gewicht zu, andere haben immer wieder Wachstumsphasen, in denen sie mehr zulegen. Wichtig ist, dass Größe und Gewicht zueinander passen, dass es keine Abweichungen nach unten in der Kurve gibt, sondern dass es eine konstante Zunahme des Gewichts gibt. Auch beachten muss man, dass sich gestillte Kinder anders bzgl. des Gewichtes entwickeln als nicht gestillte Kinder. Nicht alle Perzentillenkurven sind auf Stillkinder ausgelegt.
Je älter Dein Kind wird, umso geringer ist meist die wöchentliche Zunahme. Da es viele Variablen bzgl. der wöchentlichen Gewichtszunahme gibt, möchte ich hier nur folgendes sagen:
14 Tage nach der Geburt sollte ein Baby sein Geburtsgewicht wieder erreicht haben, nach 21 Tagen muss es das sogar und nach 6 Monaten hat Dein Kind dann sein Geburtsgewicht verdoppelt.
Tipp 4: die Gewichtskurve steigt stetig an
Sollte es irgendwann einmal zu einer unklaren Gewichtsabnahme kommen, solltest Du aufmerksam werden. Unklar bedeutet für mich: unabhängig von einer Erkrankung. Denn bei vielen akuten Erkrankungen wie z.B. Erkältungen nehmen Kinder meist etwas ab. Das wird aber schnell wieder aufgeholt.
Solltest Du das Gefühl haben, Dein Baby trinkt nicht richtig oder entwickelt sich nicht richtig, dann suche Dir Unterstützung! Hier kann eine gute Still- und Laktationsberaterin und/oder der Kinderarzt / die Kinderärztin beraten, klären und unterstützen.
Tipp 5: Hol Dir die kostenlose Infotabelle für Stillkinder!
(Download weiter unten)
Wenn du noch Fragen hast, dann melde Dich einfach bei mir!
Liebe Grüße und bis bald,
Die Tabelle kann auch zur Orientierung für mit künstlicher Säuglingsnahrung ernährte "Flaschenkinder" genutzt werden.
Copyright © 2018 Andrea Böttcher
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