Wenn Du stillst musst du ganz viele Lebensmittel meiden

06. April 2018

veröffentlicht von: Andrea Böttcher,

Kinderkrankenschwester

Fachkraft für Stillförderung, Laktationsberaterin, Stillbeauftragte für die Klinik

Referentin für Stillen und Säuglingsnahrung

 

Immer wieder schaffen es Menschen stillenden Frauen, besonders kurz nach Geburt des ersten Kindes, ein schlechtes Gewissen bzgl. der Ernährungsgewohnheiten zu machen.

 

Zum Standardrepertoire gehören hier Sätze wie:

  • "Hülsenfrüchte machen Blähungen und Koliken!"
  • "Zitrusfrüchte machen einen wunden Po!"
  • " Wenn Du viele Süßigkeiten isst, wird Dein Kind auch nur Süßes essen!
  • "Dein Kind schläft so schlecht, weil Du Kaffee trinkst!"

usw., usw....

 

Solche Kommentare verunsichern nicht nur,

sondern sie können auch gesundheitsgefährdend sein.

 

Ich erinnere mich noch gut an eine Familie, die gerade das zweite Kind bekommen haben. Das erste Kind war ein Kind mit besonders starken Bedürfnissen. Es wollte oft und lange gestillt werden und war es nicht an der Brust, forderte es lautstark und beharrlich den Körperkontakt zur Mutter ein und wollte immerzu getragen werden.

 

Die Eltern waren sehr belesen und leider auch sehr leicht beeinflussbar für Kommentare und "gut gemeinte Ratschläge" von Dritten. Da das Kind soviel schrie und auch unter Koliken litt, kamen zwangsläufig auch die Ernährungsgewohnheiten der Mutter zu Sprache. Die Mutter begann die ersten Lebensmittel aus Ihrem Speiseplan zu streichen. (Die eigentliche Ursache für das Schreien des Kindes war jedoch eine ganz andere, aber das ist ein anderes Thema.)

 

Wie gesagt, nun bekamen sie das zweite Kind und schon im Krankenhaus wurde peinlich darauf geachtet, nur "stillverträgliche Kost" zu sich zunehmen. Leider war hier auch das Krankenhaus und das Personal noch der veralteten Ansicht, das es für Stillende besser sei, auf blähende Lebensmittel und säurehaltige Obstsorten, sogar kohlensäurehaltiges Mineralwasser, zu verzichten.

 

Nun begann für die Familie eine echte Odyssee, die nach knapp sechs Wochen wieder im Krankenhaus endete. Diagnose: Kreislaufkollaps nach Fehlernährung.

 

Die Eltern hatten es im Wunsch das Beste für Ihr Kind zu tun, um es vor Koliken zu schützen, übertrieben - die Mutter hatte sich zum Schluss nur noch von Gemüsebrühe ernährt. Selbst gekocht, frei von Gewürzen und den meisten Gemüsesorten.

 

Ihr seht, das Thema Ernährung ist für Stillende genauso wichtig wie für Schwangere und leider mit genauso vielen Klischees behaftet.

 

Generell möchte ich Euch diese Tipps zur Ernährung in der Stillzeit an die Hand geben:

  • gesund
  • ausgewogen
  • abwechslungsreich
  • saisonal
  • regional
  • in ausreichender Menge
  • auf Wunsch Bio

 

Bitte esst wenn Ihr Hunger habt und trinkt wenn Durst besteht. Bei beidem zeigt Euch euer Körper das er etwas benötigt. Auch die möglichen Attacken auf bestimmte Lebensmittel sind oftmals ein Zeichen des Körpers, das ein bestimmter Stoff fehlt.

 

Generell dürft Ihr alles Essen. Es gibt bislang keine fundierten wissenschaftlichen Beweise dafür, dass blähendes Gemüse und säurehaltige Lebensmittel Bauchschmerzen und einen wunden Po beim gestillten Säugling verursachen. Probiert es aus!

 

Und mal ehrlich, wenn Ihr selber auf ein Lebensmittel mit Blähungen und Hautreizungen reagiert, werdet ihr wohl kaum davon essen. Also hört auf Euren Körper.

 

Reaktionen des Säuglings auf Lebensmittel, welche die Mutter selbst verzehrt und damit verstoffwechselt hat, sind äußerst selten.

 

Bereits in der Schwangerschaft bekommen die Frauen gesagt, das 2-3 kleine Tassen Kaffee in Ordnung sind. Warum sollte diese Menge in der Stillzeit ein Problem sein. Selbst Frühgeborene bekommen eine medizinische "Tasse Kaffee" zur Stimulierung des Atemzentrums. Ja richtig, auch sehr kleine Frühchen bekommen medizinisches Coffein in Dosen, bei der ein Erwachsener vermutlich unter Schlafstörungen leiden würde. Was nicht bedeuten soll, das der Genuss von sehr viel Kaffee generell empfehlenswert ist. Wie heißt es so schön. Die Menge machts! Wenn eine Schwangere immer viel Kaffee getrunken hat, werden Mutter und Kind eher darauf reagieren, wenn der Kaffee auf einmal weggelassen wird.

 

Natürlich nimmt die Muttermilch Aromen auf, das war aber auch schon über das Fruchtwasser so. Wenn  Ihr Euch also bereits in der Schwangerschaft abwechslungsreich ernährt habt, kennt das Baby viele Aromen bereits. In sehr seltenen Fällen verweigert ein Baby die Brust bei Geschmacksveränderungen der Milch. (Das kann auch bei der Einnahme von Medikamenten der Fall sein) Dieses Phänomen ist in der Regel zur sehr kurzfristig und Euer Kind wird in dieser Zeit auch nicht verhungern.

 

Wer einmal über den Tellerrand schaut, wird bemerken das sich stillende Frauen in den meisten Ländern ganz unterschiedlich ernähren. Das was in einem Land als schlecht für das Kind, milchbildungshemmend oder milchbildungsfördernd verschrien ist, wird in anderen Ländern ganz anders gesehen.

 

Das Zauberwort heißt hier kulturelle Essgewohnheiten!

 

Also lasst es Euch schmecken!

 

Ihr benötigt in der Stillzeit etwa 500 kcal. mehr, denn Milchbildung und Stillen kostet Energie. Die Kalorien sollten allerdings mit einer abwechslungsreichen und gesunden Mischkost eingenommen werden. Dabei wird auch der regelmäßige Genuss von Seefisch und hochwertigen Fettsäuren bedacht.

 

500 kcal sind nicht viel und schnell erreicht, zum Beispiel:

  • 250 ml Milch 3,5% (ca.160kcal)
  • 100g Vollkornbrot  (ca. 190kcal)
  • 1 Scheibe Fleischwurst (20g, ca. 60kcal)
  • 1mittelgroßen Braeburn Apfel (ca. 98 kcal)
  • 1Esslöffel Rapsöl (ca. 90 kcal)
  • 1 Scheibe Gouda (20g ca. 72kcal)
  • 125g Erdbeerjoghurt (ca. 126 kcal)
  • 100g Seelachsfilet (ca. 75Kcal)
  • 100g Studentenfutter (ca. 569 kcal)

 

Wer sich bewusst ernährt, kann sich auch vegetarisch gut und gesund ernähren. Hierbei ist zu beachten, das eine ausreichende Alternative für die Zufuhr von Eisen und Eiweiß gewählt wird.

 

Von einer veganen Ernährung, ohne ärztliche Betreuung und eine gute fachlich fundierte und kompetente Ernährungsberatung für Stillende, sollte allerdings abgesehen werden. Denn wenn eine Mutter auf keinen Fall tierische Lebensmittel zu sich nehmen will, braucht sie zusätzliche Nahrungssupplemente für Vitamin B12, Eisen, Kalzium und Zink. Fehlen diese Stoffe, kann es zu bleibenden neurologischen Schäden beim Kind kommen.

     

                                             Liebe Grüße und bis bald,

                        

                                                                     

 

Copyright © 2018 Andrea Böttcher


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