23.04.2018
veröffentlicht von: Andrea Böttcher,
Kinderkrankenschwester
Fachkraft für Stillförderung, Laktationsberaterin, Stillbeauftragte für die Klinik
Referentin für Stillen und Säuglingsnahrung
Diese Aussage höre ich bereits im Stillinfoabend immer wieder und auch viele Mütter scheinen davon überzeugt zu sein dass diese Vorgehensweise richtig und sinnvoll bzw. notwendig ist.
Als erstes möchte ich sagen, dass ich nicht vorhabe hier irgendeine Entscheidung zu kritisieren. Wir Menschen treffen in jedem Augenblick neue Entscheidungen aufgrund einer aktuellen Situation: Stillen, Flasche füttern, Abpumpen etc. sind nur wenige der Punkte, zu denen sich jede Frau immer wieder neu entscheiden muss. Und egal wie Ihr Euch entscheidet, für Euch in diesem Augenblick ist diese Entscheidung richtig. Daran gibt es gar nichts zu meckern.
Die Frage ist eher eine andere: Ist es nötig, ein Stillkind auch an die Flasche zu gewöhnen? Was passiert eigentlich, wenn Mama mal nicht stillen kann, und wann tritt dieser Fall überhaupt ein?
Daher mal ein kurzer Überblick:
Wann kann eine Frau wirklich in eine Situation kommen, in der sie nicht stillen kann:
Erkrankung
Bei den meisten Erkrankungen ist es heute möglich, stillfreundlich zu therapieren. Das bedeutet, es gibt sehr sehr viel Medikamente, die auch in der Stillzeit bei entsprechender Indikation eingenommen werden dürfen. Wenn sich ein Arzt nicht sicher ist, welche stillfreundliche Alternative es zu einem Präparat gibt, kann er sich unkompliziert unter www.embryotox.de (auch telefonisch) oder unter reprotox.de informieren und beraten lassen.
Und auch sonst darfst Du in der Regel ganz normal weiterstillen. Allerdings gibt es ggf. Einschränkungen. Zum Beispiel darf das Kind mit den Läsionen bei einer Herpesinfektion nicht in Kontakt kommen, ggf. kannst Du bei einer Herpesinfektion an einer Brust also diese bis zum Abheilen nicht stillen. Auch eine Gürtelrose kann hier Kreativität beim Anlegen erfordern.
Selbst Stillpausen, in denen die Muttermilch abgepumpt und verworfen werden muss, sind nur noch sehr selten nötig.
Operationen
Auch bei anstehenden Operationen von Mutter oder Kind ist ein Stillen meist möglich. Wichtig ist hier auch wieder, dass die Chirurgen und auch die Narkoseärzte über das Stillen informiert sind und so entsprechende Operationsverfahren bzw. Medikamente wählen können.
Selbst bei einer Operation an der Brust während der Stillzeit, kann im Regelfall auch an dieser Seite weiter gestillt werden. Wichtig ist hier nur, dass das Kind nicht mit der Wunde in Berührung kommt. Und selbst wenn das Stillen an der operierten Seite nicht möglich ist, kann an der anderen Seite ganz normal angelegt werden. Die Milchbildung an dieser Seite wird sich dem steigenden Bedarf anpassen. Auch mit "nur einer Brust" kann ein Kind voll gestillt werden. Schließlich würden sonst alle vollgestillten Zwillinge oder Drillinge verhungern!
Sobald dann die operierte Seite wieder normal angelegt wird, reguliert sich die Milchbildung in der Regel auch wieder. Ggf. ist es möglich, dass es zu Problemen wie einer zu geringen Milchbildung auf dieser Seite kommt oder die Milch schlecht läuft. Das hängt aber in erster Linie von dem Grund der Brustoperation und den daraus resultierenden Auswirkungen ab.
Die meisten Krankenhäuser nehmen übrigens gestillte Babys bei Bedarf mit auf. So kann eine Trennung vermieden werden. Wichtig ist nur, dass ggf. eine Begleitperson dabei ist, die sich um das Kind solange kümmert, wie Mama dazu nicht in der Lage ist. Fragen lohnt sich daher!
Mama außer Haus
Wenn Du wieder arbeiten gehst bzw. für längere Zeit außer Haus bist solange Du noch stillst, kommen viele Fragen auf Dich zu. Die erste Überlegung ist: Wie lange bist Du außer Haus und müsstest Du Dein Kind in dieser Zeit stillen? Wenn Du diese Frage mit ja beantwortest, stellt sich die nächste Frage: Was bekommt Dein Kind? Wie wird Dein Kind gefüttert und von wem?
Zum einen empfiehlt sich nach Möglichkeit besonders am Anfang, dass immer die selbe Person das Füttern übernimmt, dann können sich z.B. Papa und Kind gut aufeinander einstellen. Wenn du länger als drei Stunden außer Haus bist, wird Dein Kind vermutlich Hunger bekommen. Bist Du arbeiten, kannst Du Dir das Kind zum Stillen bringen lassen, Du fährst zum Stillen zwischenzeitlich nach Hause oder Du pumpst ab und Papa füttert.
Je jünger das Kind ist, umso mehr muss es erst das richtige Saugen erlernen. Wenn dann viel herumexperimentiert wird, kommt es gerne zu so genannten Saugverwirrung. Denn die Saugtechnik ist an Brust, Schnuller, Flasche etc. ganz verschieden. Bei kleinen Babys empfiehlt sich daher ggf. weniger die Flasche als Becher oder Löffel. Und wenn es die Flasche sein soll, gilt der Grundsatz bindungsorientiertes Füttern. Lass Dich entsprechend beraten, denn auch hier gibt es einiges zu beachten, damit es für Papa stressfrei klappt!
Ganz oft holt das Kind, egal wie alt es ist, die Zeit, die Mama außer Haus ist, im Anschluss nach. Richte Dich gedanklich darauf ein, dass Dein Kind, wenn Du zu Hause bist - auch nachts - besonders anhänglich sein kann und ggf. anfangs auch ein schlechterer Schläfer ist.
Generell kannst Du aber auch immer den natürlichen Rhythmus Deines Kindes nutzen. Stille Dein Kind noch einmal ausgiebig, bevor Du das Haus verlässt. Eventuell kann sich auch anbieten, das Kind dafür zu wecken. Die meisten Kinder trinken "nur" alle 2-3 Stunden. Das könnte Dir als Mama ein entsprechendes Zeitfenster verschaffen, ohne dass ein Kind trinken muss. Zudem gibt es auch die Kinder, die lieber 3-4 Stunden auf Mama warten, als sich von jemand anderem per Flasche füttern zu lassen. Die Entscheidung trifft dann Dein Kind!
Notfall
Dass ein Notfall eintritt, der Mama und Baby mehr als einige Stunden trennt, ist Gott sei Dank auch sehr selten. In solch einem Augenblick ist immer Kreativität gefragt. Kann das Kind zur Mutter gebracht werden? Ist sie in der Lage, sich zu kümmern? Ganz viele Fragen kommen hier je nach Situation auf Eltern zu. Egal um was für einen Notfall es sich handelt.
Aber mal ehrlich: Wer ist grundsätzlich auf solch eine Situation vorbereitet? Und möchtet Ihr immer mit dem Gedanken spielen, was ist wenn etwas Schlimmes passiert? Glaubt mir, in solch einer Situation handelt Ihr einfach und macht das, was Ihr für richtig haltet und was unter den gegebenen Umständen überhaupt möglich ist. Eine solche Situation ist nicht planbar. Und selbst wenn ich weiss, dass mein Kind grundsätzlich auch aus der Flasche trinken könnte, kann es sein, dass es das in dieser Situation nicht tun wird! Besonders die Kinder spüren die Emotionen und Gefühle von uns Erwachsenen. Und mal eben schnell von irgendjemanden zwischendurch gefüttert werden, funktioniert nicht!
Mein Fazit:
Ist es nötig ein Stillkind an die Flasche zu gewöhnen, für den Fall der Fälle?
Nein!
Ist es sinnvoll?
In Deiner Situation: vielleicht.
Solltest Du Dich diesbezüglich vorher beraten lassen?
Auf jeden Fall! Möglichkeiten und Alternativen ausloten und klären!
Ist in dieser Zeit das Zufüttern von Nahrung sinnvoll?
Nein! Das reduziert nur die Muttermilchmenge. Nahrung nur, wenn die Muttermilch definitiv aus medizinischer Sicht nicht gefüttert werden darf! Muttermilch ist in den ersten sechs Monaten die beste Ernährung für das Kind! Sie kann ausschließlich gegeben werden, also ohne Zufüttern von Nahrung, Wasser, Tee etc., solange das Kind reif, fit und gesund ist. In allen anderen Fällen ist eine ausführliche Beratung sinnvoll bzw. nötig. Und nach diesem Zeitpunkt könnte auch eine Beikostmahlzeit gefüttert werden, wenn Mama außer Haus ist, jedenfalls wenn das Kind die nötige Reife zeigt
Liebe Grüße und bis bald,
Copyright © 2018 Andrea Böttcher
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