30.04.2018
veröffentlicht von: Andrea Böttcher,
Kinderkrankenschwester
Fachkraft für Stillförderung, Laktationsberaterin, Stillbeauftragte für die Klinik
Referentin für Stillen und Säuglingsnahrung
Überall könnt Ihr die unterschiedlichsten Tipps und Tricks zur Steigerung Eurer Milchmenge lesen. Ein großer Teil beruht hier auf echtem Fachwissen. Allerdings gibt es auch die sogenannten Tipps, die auf Märchen beruhen.
Wichtig ist Folgendes: Wenn Ihr vermutet, zu wenig Milch zu haben, muss erst einmal geklärt werden, ob Eure Vermutung der Tatsache entspricht und Euer Kind wirklich nicht ausreichend versorgt wird. Oftmals handelt es sich bei dieser Vermutung nur um ein Gefühl, das aber nicht den Tatsachen entspricht. Aber Klärung ist wichtig, alleine schon damit Ihr Euch sicher seid!
Lasst Euch bei der Klärung fachlich beraten, denn sollte wirklich ein Milchmangel vorliegen, nützt es nichts, einfach den einen oder anderen Tipp zu beherzigen. Das bringt nur kurzfristig oder auch gar keinen Erfolg! Wichtig ist Ursachenforschung! Denn genau wie bei wunden Brustwarzen: wird die Ursache nicht behoben, werdet Ihr das Problem nicht los.
So, nun aber die versprochenen Tipps:
Tipp 1: Häufiges Anlegen
Die Nachfrage regelt das Angebot. Häufiges Anlegen gibt den nötigen Anreiz an die übergeordneten Stellen und es wird mehr Milch produziert. Dabei ist nicht die Dauer des Anlegens entscheidend, sondern die Häufigkeit. Wichtig ist aber, dass die Brust immer auch gut entleert wird. Denn Du kannst noch so oft anlegen, wenn Dein Kind dann nicht vernünftig trinkt und keine Milch entleert, kann auch keine neue gebildet werden. Die Häufigkeit des Anlegens und die Effektivität der Brustentleerung hängen also zusammen.
Ach und ganz normal ist im Übrigen eine Frequenz von min. 8-12mal Stillen in 24 Stunden. Bei Bedarf auch häufiger.
Tipp 2: Stillen nach Bedarf
Man hört es immer wieder: Stillen nach Bedarf. Was viele aber vergessen, es geht nicht nur um den Bedarf des Kindes, sondern auch um den Bedarf der Mutter. Auch eine Mutter hat Bedürfnisse: allen voran sind das Schlaf, Essen und Trinken, Ruhe und Zeit um sich zu erholen. Nicht immer wenn ein Kind schreit, hat es auch wirklich Hunger. Oftmals benötigt es auch einfach "nur" Körperkontakt, Sicherheit und Geborgenheit. Eine entspannte und gestärkte Mutter hat ein niedrigeres Stresslevel und eine bessere Milchbildung und besseren Milchfluss.
Tipp 3: Viel Hautkontakt
Egal wann, viel Hautkontakt ist immer wichtig, wenn es um die Milchbildung und den Milchfluss geht. Denn durch den direkten Haut-an-Haut-Kontakt wird bei Mutter und Kind Oxytocin freigesetzt. Oxytocin ist ein Hormon, das den Milchfluss fördert, aber bei Mutter und Kind auch entspannend und stressreduzierend wirkt. Also zweimal gut für die Milch!
Tipp 4: Stillposition
Stillpositionen werden immer als sehr wichtig angesehen. Aber sind sie es wirklich? Nur ein Kind, das Rücken und Kopf in einer geraden Linie hat und mit der Nase/Oberlippe auf Brustwarzenhöhe liegt, kann korrekt an der Brust trinken. Sobald das Kind schnalzt, schmatzt oder das Anlegen schmerzt, ist etwas nicht optimal. Da hilft nur abdocken und nochmal anlegen. Sollte das ein längerfristiges Problem sein: Hilfe holen! (Sonst geht die Milchmenge wirklich zurück.)
Letztenendes ist es vollkommen egal, in welcher Position Ihr stillt. Wichtig ist, dass Ihr bequem sitzt und Ihr Euch wohlfühlt. Gleiches gilt für Euer Kind. Eine Position in der Ihr unsicher seid ruft wieder Stress hervor, zudem ist eine verspannte und verkrampfte Körperhaltung ungünstig für den Milchfluss.
Tipp 5: Milchbildende Nahrungsmittel
Es hält sich beharrlich: Aussagen wie Sekt nach der Geburt, Malzbier, Milchbildungskugeln, milchbildende Tees wie Fencheltee und Co. sind toll für die Milchbildung.
Bitte vergesst das ganz schnell! Was hier wirklich wirkt, ist der Placeboeffekt. Wenn Ihr das Gefühl habt, Ihr könnt aktiv etwas beeinflussen, macht das weniger Stress und die Milchbildung wird positiv beeinflusst.
Was an Tees wirklich wirkt, ist die Wärme. Durch die Wärme werden die Blutgefäße erweitert und sie wirkt sich positiv auf die milchführenden Gänge aus, daher läuft die Milch besser. Ein echter Arzneitee ist in der Regel nicht im Beutel, sondern wird unter Schutz der ätherischen Öle frisch aus Blättern gebrüht. Und hierbei sei angemerkt, jeder Mensch reagiert unterschiedlich. Es gibt Menschen, die reagieren auf 2-3 Tassen am Tag, andere können 3-4 Kannen trinken und es passiert gar nichts. Wer Tees nutzt, muss im Hinterkopf haben, dass ein Gewöhnungseffekt eintritt. Irgendwann passiert nichts mehr.
Bei Alkohol gilt generell die Aussage, dass Alkohol die Milchbildung und den Milchfluss sogar noch verschlechtert. Und auch die alkoholfreien Varianten haben keine Wirkung durch Hefe, Malz und Gerste.
Interessanterweise gibt es in jedem Land auch ganz unterschiedliche Aussagen darüber, was milchbildungsfördernd und was -hemmend wirkt. In Asien schwören die Frauen auf Algen, Reis und Hühnersuppe, in Mexico auf Schokolade mit Chili, in Afrika essen viel Frauen sehr kalorienhaltige, fettige, frittierte Speisen oder schwören auf eine Brustmassage mit Kakaobutter. Auch Erdnüsse und Cashewkernen werden in Asien und Afrika milchbildende Eigenschaften vorausgesagt. Die kulturellen Unterschiede sind also genauso groß wie die Vielfalt an Lebensmitteln, die in den verschiedenen Regionen überhaupt verfügbar ist. Empfehlungen aus einem Land werden in einem anderen gegenteilige Wirkung zu gesagt. Wichtig ist nur eins: gemeinsam haben alle, dass die Lebensmittel Energie spenden sollen. Am wichtigsten: sie müssen schmecken! Kleinigkeiten haben den Vorteil, dass sie schnell vorbereitet werden können und durch Fett und Getreide sehr nahrhaft sind. Guten Appetit.
Tipp 6: Pausen machen und ausreichend Schlafen
Manchmal leichter gesagt als getan! Aber enorm wichtig. Gönnt Euch Pausen und wenn Ihr müde seid, dann schlaft! Der Haushalt wartet auf Euch und kann auch von jemand anderem erledigt werden.
Was junge Eltern meines Erachtens als erstes lernen müssen ist Folgendes: Wenn ein Kind im Haus ist, verändert sich das Leben von Grund auf. Auch Euer Haushalt wird niemals wieder so sauber und ordentlich aussehen wie vorher, es sei denn Ihr habt eine tolle Putzfee an der Seite oder stellt Eure eigenen Bedürfnisse komplett hinten an. Es muss nicht aussehen wie im Möbelhaus. Ihr lebt in diesen vier Wänden!
Lieber eine entspannte Mama und ein zufriedenes Kind im chaotischen Haushalt, als eine Mutter mit Burnout, weil sie versucht allen Anforderungen gerecht zu werden, bis sie zusammenbricht. Damit meine ich nicht dreckig, es darf sauber und ordentlich sein, wenn Ihr Euch so wohler fühlt. Aber es muss nicht steril und klinisch rein sein. Wichtig: Alles was nicht essentiell zum Leben wichtig ist, kann auch nach Bedarf gemacht werden.
Tipp 7: Unterstützung holen
Unterstützung einfordern bzw. suchen ist keine Schande! Im Gegenteil. Es zeigt, dass Ihr kompetente Eltern seid, die Verantwortung für ihr Kind, aber auch für sich selber übernehmen können. Es ist viel schwieriger andere (Fachleute) um Hilfe zu bitten und sich selber einzugestehen, dass man nicht weiter kommt. Aber dafür sind wir alle da, die Euch Eltern unterstützen! Oftmals können dabei Kleinigkeiten schon eine große Wirkung haben.
Tipp 8: Keine eigenmächtiger Einsatz von Wirkstoffen
Das ist ein Punkt, der mir sehr wichtig ist: Egal was Ihr an Medikamente nehmt, lasst immer einen Arzt oder eine Ärztin entscheiden, ob eine Dosis oder ein Medikament verändert werden kann oder muss! Informationen geben hier Embryotox und auch Reprotox direkt an Mediziner.
Auch vom eigenmächtigen Einsatz von milchbildungsfördernden pflanzlichen Präparaten und Homöopathika rate ich dringend ab. Wer glaubt, so ein Präparat zu benötigen, sollte sich grundlegend beraten lassen und dann von einem Fachmann/einer Fachfrau entsprechend behandeln lassen. Auch pflanzliche Präparate haben teilweise sehr gravierende Nebenwirkungen. Zudem gibt es viele Mittel, bei denen eine Wirkung wissenschaftlich überhaupt nicht nachgewiesen werden kann. Bockshornklee und Globuli mit Pulsatilla gehören beispielsweise in diese Kategorien. Pulsatilla kann milchbildungsfördernd und auch abstillend wirken - hier ist ein Arzt für Naturheilverfahren oder erfahrener Homöopath/in gefragt.
Tipp 9: Massagen
Brustmassagen und auch Rücken- bzw. Schultermassagen haben nicht nur einen sehr entspannenden Effekt. Nein, durch die Lockerung der Muskulatur wird auch der Lymphfluss und die Durchblutung angeregt. Zudem ist es eine Möglichkeit, besonders bei einer Schulter- oder Rückenmassage den Partner aktiv in das Stillen einzubinden.
Tipp 10: Brustkompression
Die Brustkompression funktioniert am ehesten bei Babys, die saugschwach sind. Sie imitiert den Milchspendereflex. Immer dann, wenn das Kind eine Pause macht, wird die Brust, an der das Kind gerade angedockt ist, weiter oben zusammengedrückt. Diese Kompression steigert so den Milchfluss. Wichtig ist, dass es nicht weh tut. Am besten lässt Du Dir die Brustkompression zeigen bzw. gut erklären.
Tipp 11: Abpumpen und Brusternährungset
Wer zusätzlich zum Stillen abpumpen soll bzw. möchte, um die Milchmenge zu steigern, sollte sich hier fachlich fundiert beraten lassen. Es reicht nicht aus, einfach in einer Apotheke eine Pumpe auszuleihen und sich hier darauf zu verlassen, dass man gut beraten wird. In den meisten Apotheken ist das nicht der Fall!
Wer eine Pumpe mit einer falschen Haubengröße wählt, kann die Brust ernsthaft verletzen. Zudem besteht dann die Gefahr von Milchmangel und Infektionen.
Auch gibt es viele Frauen, die sich an der Pumpe nicht ausreichend entspannen können, so dass die abgepumpte Milchmenge nur sehr gering ist oder auch gar nichts abgepumpt wird.
Wer abpumpt, gehört auch entsprechend beraten. Besonders ist zu berücksichtigen, dass es ja darum geht das Kind aktiv anzulegen, um die Milchmenge zu steigern. Dauerhaftes Pumpen führt hier nicht zu gewünschtem Erfolg, tendenziell eher zum vorzeitigen Abstillen. Abpumpen kann und sollte immer nur eine kurzfristige Lösung bzw. eine zusätzliche Möglichkeit zum Beispiel für das Brusternährungsset sein. Dieses dient dem direkten Zufüttern an der Brust. Durch das aktive Saugen wird durch einen kleinen Schlauch Milch aus einem Behälter in den Mund des Kindes gesaugt. (Der Schlauch wird vorher an die Brust geklebt, den gefüllten Behälter hat die Mama um den Hals hängen.) Gleichzeitig wird die Brust stimuliert, selbst mehr Milch zu bilden.
Liebe Grüße und bis bald,
Copyright © 2018 Andrea Böttcher
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