Was ist eigentlich der "Milcheinschuss"?

28. September 2018

veröffentlicht von: Andrea Böttcher,

Kinderkrankenschwester

Fachkraft für Stillförderung, Laktationsberaterin, Stillbeauftragte für die Klinik

Referentin für Stillen und Säuglingsnahrung

Milcheinschuss, das Wort allein sorgt bei manchen werdenden Erst-Eltern schon für ein befremdliches Gefühl. Vielleicht hast Du auch schon so manche Story über den Milcheinschuss gehört - von super großen, heißen und geschwollenen Brüsten mit starken Schmerzen die ein Stillen allein deshalb schon unmöglich machen.

 

Fangen wir also mal am Anfang an: Milcheinschuss, allein schon dieses Wort ist in Fachkreisen kaum noch gebräuchlich. Einfach weil es irreführend ist. Die eigentliche Bezeichnung ist initiale Brustdrüsenschwellung - und das hört sich doch schon freundlicher an, oder?

 

Was passiert denn überhaupt?

Nun einige Tage nach der Entbindung, das variiert von Frau zu Frau zwischen dem 2-4 Tag nach Entbindung, stellt sich Dein Hormonsystem um. Infolge dieser Umstellung erfolgt eine stark vermehrte Produktion von Lymphflüssigkeit. Diese Lymphe verteilt sich im gesamten Körper und sammelt sich an, denn es gibt ja hierfür kein "Ablassventil". Das ist der Grund, warum viele Frauen nach der Geburt noch einmal dicke Beine, Füße, und Finger bekommen. Aber nicht nur hier staut sich die Lymphe sondern auch in der Brust. Genau das ist dann die initiale Brustdrüsenschwellung.

Das bedeutet nicht, das an diesem Tag besonders viel Milch in Deinen Brüsten gebildet wird oder die ganze Schwellung von der Milch in der Brust kommt, nein - 2/3 der Schwellung Deiner Brüste macht einfach nur Lymphflüssigkeit aus. Die Milchbildung kommt in Gang, wenn du regelmäßig und nach Bedarf anlegst.

 

Wenn Dir jetzt jemand rät zur Entlastung etwas Milch abzupumpen oder Milch auszustreichen, sind zwei Dinge möglich: es kommt etwas Milch oder es kommt kaum bzw. nur einige Tropfen Milch - beides ist völlig normal.

Aber da Du ja jetzt weisst, dass die Schwellung hauptsächlich von der Lymphe ausgeht, müsste Dir auch klar sein, das es nur wenig Entspannung in die Brüste bringen kann Milch zu entleeren, egal wie.

 

Starker Milcheinschuss - und jetzt?

Ja, ein "Milcheinschuss" kann sehr ausgeprägt sein, die Brüste können extrem gespannt sein und die Brustwarze so "auseinanderziehen", dass Dein Baby Probleme bekommt korrekt anzulegen. Die Folge ist dann, das Dein Baby zu wenig Brustgewebe in den Mund nimmt und nur die Brustwarzenspitze erwischt. So kommt es dann zu einer falschen Anlegetechnik, wunden und gereizten Brustwarzen und evtl. sogar zu Verletzungen.

 

Nun gibt es Leute die dann den Einsatz eines Brusthütchens empfehlen. Dieses ist aber eigentlich in solch einer Situation nicht nötig und dafür auch nicht gedacht.

 

Es handelt sich um eine Schwellung, viel sinnvoller ist es daher, die Brust erst einmal sanft zu massieren und sie so auf das Stillen vorzubereiten. Durch die Massage werden bei Dir zusätzlich Hormone frei, die Deine Milch besser fließen lassen. Wenn Deine Brustwarze sehr gedehnt ist und das Brustgewebe sehr gespannt, fest und geschwollen, kann Dir die eine besondere Massagetechnik des Brustwarzenhofes helfen: die Reverse Pressure Softening - RPS Methode.

 

Hierbei wird durch sanften Druck mit den Fingerkuppen oder dem ausgestreckten Finger, rund um den Übergang zwischen Brustwarze und Brustwarzenhof, leichter Druck auf das Gewebe ausgeübt. Im Uhrzeigersinn erfolgt dann diese Tiefdruckmassage um die gesamte Brustwarze herum.

Oftmals sieht man dann kleine Noppen oder Dellen im Gewebe, durch den Druck Deiner Finger. Keine Sorge - Du hast nicht  zu fest gedrückt, sondern diese Noppen sind sichtbar wenn sehr viel Lymphe im Gewebe ist. Diese wird durch die Massage zurück ins Lymphsystem befördert.

Allerdings hält dieser Effekt nur kurz an. Daher sollte die RPS-Methode immer direkt vor dem Stillen erfolgen. bei Bedarf kannst Du es immer wieder wiederholen.

 

Nach dem Stillen kann es zusätzlich angenehm sein, die Brust zu kühlen. Hier haben sich Weißkohlblätter, Gelpads, Quark etc. bewährt. Aber auch schon ein feuchtes Tuch kann angenehm und hilfreich sein. Wichtig, es muss Dir angenehm und darf nicht kalt oder gar eisig sein. Das könnte das Brustgewebe verletzen.

 

Zudem erleichtert das Stillen nach einer Massage oder auch nach einer erwärmten Brust den Milchfluss. Aus einer gerade gekühlten Brust läuft die Milch langsamer, da sich die Gefäße zusammengezogen haben.

 

Vorbeugen?

Ja das ist möglich. Wenn Du direkt nach der Geburt beginnst Dein Baby immer nach Bedarf an,zulegen: das kann am Anfang auch gut und gerne mehr, als 10x in 24 Stunden sein, mal länger und auch mal nur ganz kurz, mal einseitig und mal beidseits.

 

Einfach formuliert (wann welches Hormon wie und warum was bewirkt erspare ich Dir jetzt mal) hilft dieses Anlegen nach Bedarf Deinem Körper die Hormonlage schneller und gleichmäßiger umzustellen. Im Idealfall merkst Du fast gar nichts von der initialen Brustdrüsenschwellung.

 

Meine Tipps für Dich:

  • informiere Dich am besten schon in der Schwangerschaft über frühe Hungerzeichen
  • häufiges Anlegen, rund um die Uhr
  • 24 Std. am Tag einen gut sitzenden Still-BH in der richtigen Größe tragen
  • wärmen und Massagen unterstützten den Milchfluss
  • die Reverse Pressure Softening - RPS Methode erleichtert Dir bei Bedarf das korrekte Anlegen, lass Dich hierbei in der Klinik unterstützen und Dich anleiten
  • kühlen lindert die Schwellung und die ggf. auftretenden Schmerzen

 

Und was unterscheidet eine initiale Brustdrüsenschwellung von Problemen wie Milchstau oder gar Mastitis?

  initiale Brustdrüsenschwellung  Milchstau Mastitis
 Beginn allmählich, kurz nach Geburt allmählich, nach dem Stillen  plötzlich, meist nicht früher als 1-2 Wochen nach Geburt

Seite

immer beidseits einseitig in der Regel einseitig
Schwellung generalisiert nicht grundsätzlich, an einzelner betroffenen Brust lokalisierte Schwellung
heiße Stellen beide Brüste vollständig mit und ohne möglich rote und heiße Stellen
Körpertemperatur bis max. 38,4°C bis max. 38,4°C mehr als 38,4°C
Schmerzen beide Brüste vollständig schwach, meist nur an betroffener Stelle stark, an der betroffenen Brust/Stelle
allgemein Befinden sonst Wohlbefinden sonst Wohlbefinden grippeähnliche Symptome, teilweise starke Einschränkung des Allgemeinbefindens

Ich hoffe diese Tipps helfen Dir etwas bei den Gedanken zum Milcheinschuss. Generell kann ich sagen: jede Frau erlebt ihn anders und auch eine heftige Brustdrüsenschwellung nach der ersten Entbindung, muss nicht das gleiche Ausmaß bei folgenden Entbindungen haben. Die Situation ist immer eine andere.

 

Und wenn Dir das Anlegen während des "Milcheinschuss" Schwierigkeiten macht, lass Dich bitte fachlich kompetent beraten.

 

                                                        Liebe Grüße und bis bald,

                        

                                                                                               

 

Copyright © 2018 Andrea Böttcher