Schlafen Stillkinder anders?

02. November 2018

veröffentlicht von: Andrea Böttcher,

Kinderkrankenschwester

Fachkraft für Stillförderung, Laktationsberaterin, Stillbeauftragte für die Klinik

Referentin für Stillen und Säuglingsnahrung

Was ist dran am Mythos: gestillte Babys schlafen nachts "unruhiger"?

Nun, hierzu muss man erst einmal sagen: grundsätzlich schlafen Babys ganz anders als Erwachsene!

 

Wir Erwachsene sind in der Lage, direkt vom Wachzustand in den Tiefschlaf zu gelangen. Ein Baby benötigt erst einmal etwa 20 Min. im Traumschlaf und ist hier leicht weckbar, bevor es überhaupt in den Tiefschlaf sinkt. Zudem sind die einzelnen Schlafzyklen viel kürzer als bei einem Erwachsenen. Sie dauern bei Säuglingen etwa 45-60 Minuten, bei einem Erwachsenen jedoch etwa 90 Minuten. Zudem überwiegt bei Säuglingen der Traumschlaf deutlich. Je jünger das Kind, desto mehr Traumschlaf hat es. Bei uns Erwachsenen ist es umgekehrt - je älter der Mensch desto weniger Traumschlaf. Die Wissenschaft ist sich noch nicht sicher wie sich der Traumschlaf auf uns Menschen auswirkt. Es wird jedoch vermutet, das er nötig für die Entwicklung des Gehirns ist.

 

Der Grund dafür ist einfach: Das Gehirn ist noch nicht weit genug entwickelt. Den größten Teil seiner Entwicklung, außerhalb des Mutterleibes, machen wir Menschen im ersten Lebensjahr durch. Das Gehirn wächst und entwickelt sich hauptsächlich nachts. Dazu benötigt es eine kontinuierliche Versorgung mit Eiweiß und Fett. Also hat die Natur es so eingerichtet, das menschliche Muttermilch weniger Fett und Eiweiß enthält, dabei aber auch sehr leicht verdaulich ist und ein Baby seinen Bedarf regelmäßig anmeldet und trinkt, bzw. gestillt wird.

 

Bei anderen Säugetieren ist der Fett- und Eiweißgehalt in der Muttermilch größer, sie werden deutlich weniger häufig gesäugt, sind aber im Vergleich zum Menschen-Baby schon weiter entwickelt. Sie kommen längere Zeit ohne Ihre Mutter aus, können teilweise auch schon gut sehen und sich eigenständig fortbewegen. Kurzum, das Gehirn ist schon weiter entwickelt.

 

Babys die mit Säuglingsanfangsnahrung ernährt werden trinken meist größere Mengen auf einmal. Sie können die Fließgeschwindigkeiten, per Flasche, in der Regel kaum selbst regulieren und trinken deutlich über Ihren Bedarf hinaus. Säuglingsanfangsnahrung ist deutlich schwerer zu verdauen als Muttermilch, bei gleicher Kalorienzahl. Dadurch "hält sie länger satt", macht aber auch deutlich mehr Verdauungsprobleme. 

 

Stillkinder schlafen zudem meist bei der Mutter im Bett. Dieses Bettsharing unterstützt auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Zum einen ist der Prolaktinspiegel der Mutter höher, denn nächtliches Stillen wird zum einen gefördert, aber auch der Hautkontakt bzw. der direkte Kontakt mit dem Baby wirken sich auf die Hormonlage der Mutter aus. Stillkinder, die im Familienbett schlafen werden, dadurch meist länger gestillt und es kommt zu weniger Problemen mit der Milchbildung.

 

Die Schlafphasen von Stillkindern und Ihren Müttern passen sich dabei an. Meist kann man Folgendes beobachten: bewegt sich das Kind, bewegt sich auch die Mutter. Wird das Kind wach - hat die Mutter es bereits mitbekommen und ist 2-3 Minuten vorher erwacht.

 

Stillkinder, im Bett der Mutter, schlafen meist weniger tief - als per Flasche ernährte Kinder die im eigenen Bett, im eigenen Zimmer schlafen. Die Wissenschaft geht davon aus, das die Kinder tiefer schlafen und sich nicht an der Atmung und dem Schlaf der Mutter orientieren können. Hierdurch erhöht sich allerdings auch das Risiko für einen plötzlichen Kindstod. Die Bewegungen und die Atmung der Mutter wirken wie ein Schrittmacher auf das noch unreife Atemzentrum im Gehirn des Kindes.

 

Ihr seht, für ein Baby ist das nächtliche Durchschlafen also überhaupt nicht erstrebenswert. Im Gegenteil, Kinder die nachts regelmäßig wach werden und trinken entwickeln sich meist etwas schneller und sind zeitweise dadurch auch etwas intelligenter. Zudem ist das Risiko für eine schlechte Gewichtsentwicklung und einen SIDS zu erleiden geringer.

 

Dabei ist der individuelle Bedarf an Schlaf und der Schlafrhythmus von Kind zu Kind ganz verschieden. Zudem wirken sich eine Menge an unterschiedlichen Faktoren auf die Qualität und die Dauer des Schlafes aus.

 

Die Schlafentwicklung ist erst etwa im Laufe des 3. Lebensjahres abgeschlossen. Bis dahin geht es mit dem Schlaf auf und ab und nichts kann diese Entwicklung ändern. Ein Kind wird erst "durchschlafen" wenn es dafür reif genug ist, das bedeutet, wenn das Gehirn weit genug entwickelt ist. Kein Schlaftraining der Welt kann hier ansetzen und diese Entwicklung beeinflussen oder beschleunigen. Im Gegenteil. Schlaftrainings wirken sich negativ auf die emotionale Entwicklung aus und können eine normale Entwicklung deutlich verzögern.

 

Wenn Ihr fragen zum Thema Baby- und Kleinkindschlaf habt, dann meldet Euch. Auch hierzu biete ich Euch eine ganzheitliche und fundierte Beratung an. 

 

                                                         Liebe Grüße und bis bald,

                        

                                                                                                

 

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