Sport in der Stillzeit: Märchen und Tatsachen

22. Januar 2019

veröffentlicht von: Andrea Böttcher,

Kinderkrankenschwester

Fachkraft für Stillförderung, Laktationsberaterin, Stillbeauftragte für die Klinik

Referentin für Stillen und Säuglingsnahrung

Schlafberaterin 1001 Kindernacht

 

Immer noch halten sich Aussagen, das Sport in der Stillzeit unmöglich sei. Es ist sogar die Rede von saurer Milch, Milchstaugefahr, verminderter Milchmenge und "Gift" fürs Kind. All diese Aussagen sind recht alt und haben Hintergründe die heute kaum noch eine Rolle spielen. Ich habe Euch einmal einige der Klassiker herausgesucht und möchte Sie direkt aufklären.

 

Grundsätzlich empfehle ich allen Müttern folgendes:

  • Die ersten 4-6  Wochen sind Schonzeit! Sie gehören Euch und Eurem Baby. Dein Körper braucht diese Zeit!
  • Lasst es langsam angehen und hört auf Euren Körper: die Schwangerschaft und Geburt war ein echter Kraftakt. Muskeln, Bänder und Sehnen sind noch sehr gedehnt und müssen sich erst zurückbilden. Dein Verletzungsrisiko ist höher.
  • Rückbildung ist der ideale Start in regelmäßige Bewegung.
  • Überlege Dir: mit oder ohne Baby? Es gibt ganz verschiedene Angebote. Suche Dir etwas was zu Deinem Bedarf passt.
  • Bitte anfangs unter Anleitung: egal ob Rückbildung, Yoga, Fitness oder was auch immer. Nur wer es richtig macht, vermeidet Verletzungen und ein Training wird effektiv.
  • Nicht alles ist in der Stillzeit bedenkenlos empfehlenswert, also informiere Dich.
  • Du musst keine Flasche füttern, um 2 Stunden zu überbrücken: einfach direkt vorher stillen und dann wenn Du wieder zurück bist. Und für den Fall, das es mal länger dauert, Muttermilch abpumpen und zum Beispiel stillfreundlich füttern.
  • Bitte keine Diät in der Stillzeit.
  • Achte auf das richtige Equipment für Deinen Sport.
  • Jede Art von Bewegung ist sinnvoll und wichtig für den Körper, auch in der Stillzeit. Aber achte darauf was Dir gut tut.
  • Jede Art von Anspannung braucht auch Entspannung.

 

Was ist wirklich dran an:

 

Kein Sport im Wochenbett?

Jain.  Ein guter Einstieg ist einfache Bewegung. Nimm Dein Baby in die Trage oder in den Wagen, solltest Du noch nicht tragen dürfen oder können. Ein langsamer Einstieg ist wichtig. Die Bänder, Sehnen und Muskeln müssen sich erst wieder festigen. Die Hormonumstellung nach der Geburt dauert. Gönne Dir also erst einmal eine Wochenbettzeit. Nicht umsonst heißt es das Wochenbett dauert 40 Tage. Aber Bewegung an der frischen Luft hilft Stress und Müdigkeit abzubauen bzw. zu entspannen. Das gilt für alle Familienmitglieder. Und alles was entspannt hilft auch dem Milchfluss.

 

Nach einem Kaiserschnitt oder je nach Geburtsverletzungen solltest Du einige Wochen nicht mehr Gewicht tragen, als Dein eigenes Baby auf dem Arm aufbringt. Kläre also bitte mit Deinen Ärzten ab, ab wann welcher Sport in welcher Dosis machbar ist.

 

Der perfekte Einstieg kann zudem die Rückbildungsgymnastik sein. Hier gilt es ganz gezielt die strapazierten Bänder und Muskulatur zu stärken und den Beckenboden zu trainieren. Unter qualifizierter Anleitung schafft das jede Mutter in Ihrem Tempo, unter Berücksichtigung der eigenen körperlichen Einschränkungen.

 

 

Wenn die Mama stillt, darf Sie keinen Sport treiben, denn dann wird die Milch sauer und das Baby verweigert die Brust.

Falsch. Sport macht die Milch nicht sauer. Wer untrainiert Sport treibt bekommt meist einen Muskelkater. (Die Muskeln werden überlastet und Milchsäure führt zum "Kater", die Milchsäure gelangt aber nicht in die Muttermilch.) Es ist möglich, dass sich der Geschmack der Muttermilch kurzfristig leicht verändert. Das ist aber keinesfalls problematisch für das Kind.

 

Eventuell möchte ein Kind nicht an einer stark verschwitzten Brust trinken, das liegt aber eher am leicht salzigen Geschmack des Schweiß auf der Haut. Eine Dusche wirkt hier wunder.

 

 

Still-BH reicht

Jain, das kommt auf die Sportart an. bei jeder Sportart, bei der die Brust sehr in Bewegung gerät, ist ein gut sitzender Sport- BH (den gibt es auch als Still-Sport-BH) sinnvoll. Wichtig ist, das er wirklich super sitzt, bequem ist und die Brust an keiner Stelle einschneidet bzw. einengt. Beachte das die Stützbänder besonders seitlich und unter der Brust richtig sitzen und die Brust einrahmen.

 

Wenn der BH zu klein ist, kann er grundsätzlich zu viel Druck auf einzelne Bereiche der Brust aufbringen und den Milchfluss behindern bzw. einen Milchstau auslösen. Zudem reizt dauerhafte  bzw. starke Reibung die Brustwarze: wund sein und ggf. Verletzungen können die Folge sein. Das gilt aber auch  für jeden Still-BH! Lass Dich bei einem entsprechenden Fitting in einem Fachgeschäft beraten, wenn der BH nicht richtig sitzt.

 

 

Sport = Gewicht reduzieren in der Stillzeit?

Bitte nicht bewusst! Die Stillzeit ist die denkbar schlechteste Zeit, um eine Diät zu beginnen. Wer Sport treibt und sich bewusst gesund und ausgewogen ernährt, wird vermutlich auch Gewicht verlieren. Das ist aber etwas ganz anderes als eine Diät!

Das Problem ist, dass Schadstoffe fettgebunden sind. Das bedeutet das die Schadstoffe, die wir im laufe unseres Lebens so aufgenommen haben, in unseren Fettdepots gespeichert werden. Werden diese Depots abgeschmolzen, werden Schadstoffe frei und gelangen dann auch in die Muttermilch. Das muss ja nicht sein.

 

Seid Euch bitte bewusst: Ihr habt einen 24 Stundenjob als Mutter. 365 Tage im Jahr. Wochenende, Urlaub, krank sein gibt es für Mütter in der Regel nicht. Daher geht bitte sorgsam mit Euch um.

 

Auch Stillen kostet Kraft und verbraucht Kalorien. Je nach Alter des Kindes und je nach gebildeter Milchmenge bedeutet das etwa 600kcal. extra. Wenn Ihr es schafft, diese Kalorien durch gesunde Lebensmittel zu decken, seid ihr auf dem besten Weg.

 

In der Regel gilt ein Gewichtsverlust von etwa 2 kg im Monat als unproblematisch. Alles was darüber hinausgeht beeinträchtigt die Qualität der Muttermilch und belastet Deinen Körper.

 

 

Brustverletzungen durch Sport?

In der Stillzeit sollte immer überlegt werde, wie hoch das Verletzungsrisiko gegenüber Schlägen und Stößen gegen die Brust ist. Diese können einen schmerzhaften Milchstau und ggf. noch weitere Verletzungen hervorrufen. Daher solltet Ihr auf Sportarten wie Barren- oder Reckturnen, Boxen, Kampfsport oder auch Ballsportarten erst einmal verzichten und später langsam und behutsam damit beginnen.

 

Und auch Sportarten, die exzessive Bewegungsabläufe der Oberarmmuskulatur benötigen, wie Tennis, Badminton, Volleyball usw. sollten langsam angegangen und entsprechend schonend gesteigert werden. Es gibt durchaus Frauen, die berichten, dass sie nach sehr ausgiebigem Training einen schlechteren Milchfluss bemerken. Also beachte welche Dauer und Intensität an Sport Dir persönlich gut tut.

 

Kommt es einmal zu einer Verletzung an der Brust heißt es einige Tage beobachten und sehr aufmerksam sein. Bitte niemals mit Eis kühlen, das führt  im Gewebe zu größeren Schäden, als das es hilft. Ein Cold-pack auf Kühlschranktemperatur reicht völlig. Vor dem Stillen dann bitte das Gewebe mit Wärme wieder aufwärmen, um die Entleerung zu ermöglichen.

 

 

Muskelkater und Verspannungen

Wie schon beschrieben macht Muskelkater der Milch gar nichts aus. Verspannungen im Bereich der Brust-, Nacken und oberen Rückenmuskulatur dagegen schon. Aufgrund von Verspannungen kommt es zur Schonhaltung, die sich wieder negativ auf andere Muskeln auswirken.

Zudem treten Spannungsschmerzen auf und jede Art von Schmerzen lösen einen Adrenalinschub aus, der den Milchfluss bzw. die Milchbildung beeinträchtigt.

 

Also achte beim Sport auch auf Entspannungsphasen, bereite Deinen Körper aktiv vor und nimm Dir Zeit zum Aufwärmen, ggf. zum Dehnen. Wärme hilft einer verspannten Muskulatur, deinem eigenen Wohlbefinden und somit auch dem Milchfluss. 

 

 

Hängebrust durch Stillen

Auch wieder so ein Märchen. Nicht das Stillen verändert die Form der Brust, sondern in erster Linie das Alter und die Hormonumstellung im Laufe der Jahre. Auch der Anteil an Fett und Bindegewebe wechselt, Übergewicht und Rauchen tun ihr übriges.

Während der Schwangerschaft lagern wir Frauen vermehrt Wasser im Körper ein, auch in der Brust. Das macht den Busen voller und praller. nach der Entbindung nimmt der Wasseranteil im Gewebe wieder deutlich ab. Stillt eine Frau bewirken die Hormone einen Zuwachs der Brustdrüse. Nach dem Abstillen reduziert sich das wieder. das ist ganz normal und ganz natürlich, egal ob ihr gestillt habt, oder nicht. Das optische Ergebnis ist das selbe. Mit zunehmendem Alter lässt die Elastizität der Haut nach, auch die Durchblutung verschlechtert sich: kurz um wir werden älter - am ganzen Körper, das macht auch vor der Brust nicht halt.

 

Mit Sport kannst Du den Brustmuskel trainieren, dieser liegt aber unterhalb der Brustdrüse und dem Fettgewebe. Auch ein trainierter Brustmuskel hat kaum einen Einfluss bei uns Frauen, auf das kosmetische Aussehen der Brust. Das Volumen wird bei natürlicherweise durch Fett, Binde- und Stützgewebe, Wasser, Blut- Lymphgefäße, Nervenbahnen und die Brustdrüse erreicht. Auf die Menge und das Aussehen habt ihr kaum einen Einfluss.

 

Oftmals kommt es in der Schwangerschaft ja schon zu einer Gewichtszunahme von meist mehr als 10-12kg. Je schwerer Ihr werdet, umso mehr Fett lagert Euer Körper ein, auch an der Brust. Die Haut dehnt sich. Manchmal auch bis zum reißen und die bekannten Schwangerschaftsstreifen entstehen. Nach der Geburt verliert Ihr Gewicht, die Haut íst aber kein Flummi, der einfach zurückspringt. (Und sie kann auch nur bis zu einem gewissen Grad zurück).

Ihr seht, es ist vollkommen normal und ganz natürlich, das die Brust irgendwann zu hängen beginnt, das hat überhaupt nichts mit dem Stillen zu tun.

 

                                                      Liebe Grüße und bis bald,

                        

                                                                                               

 

 

 

P.S. Was mir immer wichtig ist, Euch regionale Angebote zu nennen, hinter denen ich stehen kann und die mich überzeugen. Sicherlich gibt es auch noch mehr...

 

Rückbildungsgymnastik z.B.:

Hebammenpraxis Anne Krebs (Dollendorf, Hillesheim)

Hebammenpraxis der erste Schrei - Cristina Zimmermann-Holz (Mechernich)

 

Yoga, Sport- und Fitnessangebote:

fit dank Baby (Dollendorf, Hillesheim)

Pilates und Faszientraining (Dollendorf)

Faszien Yoga (Blankenheim)

Tribea Gesundheitszentrum (Blankenheim, Marmagen)

Yoga für Schwangere, Frauen, (mit- und ohne Baby)  (Kall)

 

 Copyright © 2019 Andrea Böttcher