"Mittel zur Milchsteigerung"

15.07.2019

In der Stillberatung, egal ob in der Klinik oder im häuslichen Umfeld drehen sich die meisten Fragen immer rund um die Milchbildung. Wie du erkennen kannst, ob du genug Muttermilch hast, habe ich in einem separaten Artikel ja schon erläutert (hier).

 

Schauen wir uns also jetzt einmal an wie es um die ganzen Mittel zur Steigerung der Milchbildung bestellt ist. Was (fast)  alle Schwangeren bereits gehört haben: Salbei und Pfefferminz stillt ab und Fenchel, Kümmel, Anis wirkt milchbildend; genauso wie Malzbier, Sekt, Hefeweizen, Milchbildungskugeln  und andere Kräuter, Gewürze und Shakes. Ja es gibt sogar die Mär, dass Du nur genug Milch trinken musst, um ausreichend Milch zu bilden und dabei bitte am Tag mindestens 3 Liter Gesamttrinkmenge an Wasser, damit es sicher ausreicht.

 

Daher direkt mal eine Klarstellung: ja Ihr solltet ausreichend essen und trinken, damit Euer Körper gut mit Flüssigkeit und Nährstoffen versorgt ist und sich von den Strapazen der Schwangerschaft und der Geburt gut erholen kann. Zudem kommt anfangs eine recht stressige Zeit auf Euch zu, der Körper muss sich in vielem umstellen, das braucht Energie.

 

Aber: Ihr braucht weder für drei zu Essen, noch 3 Liter zu trinken!

 

2-3 Liter gelten für eine durchschnittliche erwachsene Frau als Empfehlung und den Mehrbedarf an Kalorien liefern schon 1-2 Scheiben Brot mit Belag.

 

Das Wichtigste, wenn Ihr Sorge habt dass Eure Milch nicht ausreicht, ist eine adäquate und individuelle Stillberatung sinnvoll. Es gilt erst einmal zu klären ob Euer Gefühl Unsicherheit ist oder ob ein realer Milchmangel besteht. Und sei beruhigt - in den meisten Fällen ist die Sorge der Eltern unbegründet.

 

Wenn ein realer Milchmangel besteht, gilt es durch die Beratung darum, herauszufinden worin die Ursachen bestehen. Da gibt es ganz verschiedene Möglichkeiten, auch hierzu habe ich euch bereits einen Artikel verfasst (hier).

 

Erste Maßnahmen sind dann folgende:

  1. Klärung ob ein realer Milchmangel besteht
  2. Überprüfung des Stillmanagements, Ansicht einer kompletten Stillmahlzeit, Beobachtung des kindlichen Saugverhaltens - denn ohne regelmäßige und effiziente Entleerung der Brust werden alle Mittel nur wenig Wirkung zeigen. 
  3. ausführliche Anamnese und Ursachenforschung
  4.  Wenn die Einnahme eines milchbildungsfördernden Mittels erwägt wird, sollte geklärt werden, was für diese Situation und dieses Mutter-Kind-Paar passend ist und wie es genau eingenommen werden kann/soll.
  5. Grundsätzlich muss aber immer klar sein, das alles was eine Wirkung hat, auch eine Nebenwirkung zeigt - hier muss entsprechend beraten und aufgeklärt werden.

 

Pflanzliche Mittel: Kräutertees etc.:

Hier ist nicht Kraut gleich Kraut! Es ist entscheidend, welche Qualität die Pflanze/Zubereitung aufweist. In diesem Augenblick sind die Kräuter ja Heilmittel, daher sollten sie auch in sehr guter Qualität z.B. über eine Apotheke bezogen werden, um einen optimalen Wirkgehalt zu haben. Einfache Teebeutel aus dem Supermarkt haben meist keine entsprechend gute Qualität.

 

Ich zittiere hier einmal eine liebe Kollegin von mir:

 

"Damit Tees ihr volle Wirkung entfalten können, ist die genaue Zubereitung des jeweiligen Tees wichtig. Diese ist vor allem abhängig vom genutzten Pflanzenteil – Blüte, Blatt, Rinde, Wurzel, Kraut, Frucht oder Samen. In Apotheken wird die Zubereitung gerne erklärt.

 

Wie bei jeder Heilmitteldroge kommt es neben der Zubereitungsart bei Tees auch auf die Dosierung an. Als Faustregel gilt von Kräutertees sollte man (wenn nicht ausdrücklich anders angegeben – wie beim Blasentee) nicht mehr als einen halben Liter täglich trinken. Wenn ein Tee 3 – 6 Wochen durchgehend getrunken wurde, spricht man bereits von einer Teekur und diese sollte nach 6 Wochen zumindest für 2 Wochen unterbrochen werden. In der Regel braucht man aber für die Milchbildung nicht dauerhaft einen Tee, also besser den Tee dann gleich absetzen."

Andrea Hemmelmeyer aus Galaktogoga - Mittel zur Milchsteigerung, Juni 2019

 

Besonders Stilltees und Milchbildungsshakes erfreuen sich hierzulande großer Beliebtheit. Aber es ist nicht erwiesen, das diese Mittel überhaupt wirken. Es gab bereits einige Studien dazu, die den Tees nur einen Placeboeffekt nachsagten. Einen wissentschaftlichen beleg für die Wirksamkeit gibt es also nicht. Was wirkt, ist die Wärme der Tees. Diese wirkt entspannend und weitet die Blutgefäße, Lymphbahnen und Milchgänge - das wirkt erwiesener Maßen. Aber da reicht dann auch das heiße Wasser.

 

Grundsätzlich gilt es einiges zu beachten:

  • bei Fenchel, Anis und Kümmel kann es bei übermäßigem Verzehr auch zu Körpergeruch und gastrointestinalen Reaktionen kommen (Völlegefühl, Übelkeit, Blähungen, Durchfall etc.)
  • bei Mariendistel können neben den oben genannten Magen-Darm Symptomen auch Kreuzallergien auftauchen
  • Der Boxhornklee senkt den Blutzucker und kann Asthma verschlimmern. Zudem kann er Kontraktionen der Gebärmutter auslösen, es kommt zu Körpergeruch und ggf. zu Durchfall. Er  ist daher absolut kontrainduziert: bei Asthma, Diabetes mellitus, Schwangerschaft

Die meisten freiverkäuflichen Präparate enthalten mindestens einen der oben genannten Kräuter! Daher ist hier entsprechend die Beratung wichtig.

 

Sekt, Weizenbier und Co.

 

Diese "Mittelchen" enthalten viele Kalorien und Alkohol. Der Alkohol behindert aber durch eine Engstellung der Gefäße die Milchbildung und ist daher nicht förderlich.

 

Milchbildungskugeln, Stillkugeln etc.

...enthalten teilweise auch die oben genannten Kräuter als "Gewürze". in der Regel ist die Zusammensetzung hochkalorisch. Regelmäßiges Essen unterstützt die Milchbildung, da diese viel Zucker verbraucht. So eine Kugel liefert schnell viel Energie und kann so verhindern, das der Blutzucker stark abfällt. Zu viel davon geht aber auf Kosten einer gesunden und ausgewogenen Ernährung. Sie können aber Frauen unterstützen, die eine unzureichende Kalorien- und Nährstoffzufuhr haben.

 

Und zum Schluss: Medikamente zur Milchbildung...

Ja, es gibt sie, Medikamente zur Milchbildung (Domperidom und Metoclopramid). Diese Mittel sind bei uns nur im Off-Label-Use nutzbar. Das bedeutet, sie sind nicht offiziell zur Steigerung der Milchbildung zugelassen, denn eigentlich gelten sie hierzulande als Magen-Darm-Therapeutikum. 

 

Daher haftet der verordnende Arzt bei der Verschreibung dieser Mediakemente. Nicht jeder Arzt ist bereit dazu und oftmals nur, wenn eine parallele Betreuug durch eine Still- und Laktationsberaterin (IBCLC)  erfolgt und alle Maßnahmen der Optimierung erfolgt sind und dennoch die gewünschte Wirkung nicht erreicht werden konnte. Das beinhaltet besonders die ausreichende Stimulation und effektive Entleerung der Brust von min. 8-12 mal in 24 Std.

 

Mein Fazit: Egal was zur Steigerung der Milchbildung getan wird, es wird niemals ausreichend, solange die Brust nicht ausreichend und effizient entleert wird. Es ist daher auch sinnvoll, nicht nur bei der Mutter nach Ursachen zu suchen, sondern auch beim Kind. Denn orale Restriktionen, wie Zungenbänder oder Lippenbänder können eine effektive Entleerung der Brust verhindern.

 

Da Stillen die normale Ernährung eines Kindes ist, ist hier ein großer Wirtschaftszweig entstanden: Mit Kindern lässt sich viel Geld verdienen und die Werbestrategien auf den Verpackungen wirken entsprechend. Glaubt also nicht alles, was ihr auf Verpackungen lest - kein Tee und kein Shake machen Euch mal eben mehr Milch.