30.07.2019
veröffentlicht von: Andrea Böttcher,
Kinderkrankenschwester
Fachkraft für Stillförderung, Laktationsberaterin, Stillbeauftragte für die Klinik
Referentin für Stillen und Säuglingsnahrung
Schlafberaterin 1001 Kindernacht
Eine Kaiserschnittrate von 30% ist hoch. Würde man hier einfach einmal aussortieren, welcher Kaiserschnitt nicht aus wirklicher medizinischer Indikation erfolgt, wäre die Rate sicherlich deutlich niedriger. Wer einen Kaiserschnitt wirklich benötigt, sollte sich daher auch vorher in verschiedenen Kliniken vorstellen und hier die Abläufe erfragen. Auch ein Kaiserschnitt kann unter Beachtung der Stillförderung erfolgen. Ganz wichtiges Thema ist hierbei die Schmerztherapie der Mutter.
Vielleicht fragst Du dich jetzt, was Kaiserschnitt, Schmerzen und Stillen miteinander zu tun haben? Sehr viel....
Wir Menschen werden hormonell gesteuert. Nehmen wir einmal gezielt das Beispiel Geburt und Stillen:
Die Entbindung erleben viele Frauen "wie auf einem anderen Planeten". Der Körper hat einerseits starke Schmerzen, andererseits erwartet man als Frau ja sein kleines Wunder und ist in der Regel überglücklich, wenn es endlich losgeht. Der Körper der Frau stößt dabei eine Reihe von Hormonen aus, z.B. Endorphine. Dies sind körpereigene Schmerz- und Betäubungsmittel, die aber auch bei starken Glücksmomenten ausgeschüttet werden.
besonders wenn sich eine Frau sehr gut aufgehoben, sicher und wohl fühlt, wird besonders viel Endorphin ausgeschüttet. Dazu kommt dann noch das Oxytocin. Ein Hormon, dass wir Frauen zum Auslösen der Wehen brauchen, aber auch nach der Geburt, um die Gebärmutter zur Rückbildung zu bringen und auch damit die Milch ins fließen kommt.
Es macht nun einen sehr großen Unterschied, wie ein Kaiserschnitt erfolgt. Hier ist nicht Kaiserschnitt gleich Kaiserschnitt. Ich möchte einmal bewusst zwei große Gegensätze aufzeigen:
Situation 1:
Wenn ein Kaiserschnitt vielleicht geplant werden muss, alles in Ruhe besprochen wird, die Mutter auch im OP die Möglichkeit hat das Baby direkt auf der Brust zu behalten und danach den nackten Hautkontakt auch nicht verliert, sondern das Baby rund um die Uhr bei der Mutter bleiben kann, kann auch ein Kaiserschnitt notwendig, aber nicht traumatisch sein. Besonders wenn ein/e PartnerIn die gesamte Zeit bei Mutter und Kind bleiben kann, um zu helfen und zu unterstützen.
Erfolgt dann noch ein gutes Schmerzmanagement und eine adäquate Mobilisation und individuelle Stillberatung, gibt es in der Regel keine bzw. kaum negative Einflüsse des Kaiserschnittes auf das Stillen und die Mutter/Eltern-Kind-Bindung.
Die Mutter ist deutlich schneller wieder fit und mobil, kann sich schneller selbst um ihr Kind kümmern und hat mehr Möglichkeiten z.B. Stillpositionen individuell zu nutzen und zu üben. Die initiale Brustdrüsenschwellung (auch Milcheinschuss im Volksmund genannt) zeigt sich ganz normal wie bei spontan entbundenen Frauen auch, ohne zeitlichen Versatz und die Kinder gedeihen gut,
Situation 2:
Die Eltern kommen voller Vorfreude in den Kreisssaal und dann zieht sich die Geburt sehr lange hin. Mutter und Kind sind irgendwann sehr erschöpft, vielleicht kamen auch PDA und Oxytocintropf zusätzlich zum Einsatz. Irgendwann bekommt das Kind so viel Stress und die Mutter kann nicht mehr, das die Entscheidung zum Kaiserschnitt erfolgt, vielleicht sogar eine eilige Sectio oder die Geburt wird ein Notfall. (Gott sei Dank passiert ein Notkaiserschnitt nur sehr selten.) In der Regel wissen die Eltern dann überhaupt nicht wohin mit ihren Gefühlen. Ist eine Vollnarkose nötig, muss die Mutter auch noch alleine in den OP. Hier siegen dann Angst und Sorge vor allen positiven Gefühlen.
Im ungünstigsten Fall bekommt die Mutter ihr Kind erst ein oder 2 Stunden nach der Geburt zum Bonden auf die Brust. Natürlich ist es auch nicht immer möglich, dass ein/e PartnerIn im Familienzimmer dabei bleibt. Mutter und Kind sind also möglicherweise auf sich alleine gestellt. Erfolgt jetzt noch eine räumliche Trennung von Mutter und Kind, eine fachlich fundierte Stillberatung fehlt und die Mutter verzichtet auf Schmerzmittel, sei es aus Sorge, dass diese sich auf das Kind auswirken oder einfach aufgrund falscher Information - es wird negative Auswirkungen auf das Stillen und die Gewichtsentwicklung des Kindes haben.
In solchen Fällen kann es dazu kommen, dass die Mutter ihre Brustdrüsenschwellung nicht 2-4 Tage nach Entbindung, sondern verspätet, vielleicht erst nach einer Woche bekommt. Die Kinder, die oft zwischen 7-10 % des Geburtsgewichtes verlieren, nehmen deutlich mehr ab und es besteht dann aufgrund des Milchmangels Zufütterungsbedarf.
Erfolgt nun keine fachlich fundierte und adäquate Stillberatung, durch einen ausgebildeten Profi, wird die Mutter vermutlich mit der Flasche zufüttern und die Milchbildung wird auch in Folge nur schwer und nur unzureichend in Gang kommen. Schmerzen, Stress und Sorge um das Kind lassen den Adrenalinspiegel der Mutter stark ansteigen. Leider blockiert Adrenalin das Oxytocin. Die Mutter kann in dieser Situation nicht in der Lage sein, den Milchspendereflex auszulösen.
Fazit und hier zitiere ich gerne mal die Koleginnen der ÖAFS, weil besser formulieren kann ich es auch nicht:
Tatsache ist, dass eine adäquate und effiziente Schmerztherapie nach einem Kaiserschnitt (aber auch einer Vaginalentbindung) mit dem Stillen auf jeden Fall vereinbar ist. Schmerzen sind für den Körper letztendlich auch ein Stressfaktor und können sich auf die Milchproduktion und die Genesung der Mutter daher negativ auswirken.
Die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. sagt dazu: "Speziell ein Kaiserschnitt ist für die Ärzte heute Routine, für die Schwangere ist es aber eine große Operation, die in der Folge naturgemäß starke Schmerzen mit sich bringen kann. Es ist unsinnig und nachteilig, auf Schmerzmittel nach einer solch großen OP zu verzichten. Die folgenden Schmerzmittel, die nach einem Kaiserschnitt zur Verfügung gestellt werden, sind als unbedenklich, auch in der Stillzeit, eingestuft worden. Dazu gehören: Ibuprofen, Paracetamol, und bei starken, andauernden Schmerzen auch Piritramid (Dipidolor®) in Einzeldosen."
Natürlich können auch Schmerzmittel, die unter der Geburt verabreicht werden, auf das ungeborene Kind übergehen. Wichtig ist daher eine spezifische Auswahl der entsprechenden Medikamente und ggf. auch die Rücksprache mit Embryotox oder Reprotox im Einzelfall.
Weitere Infos zur Schmerztherapie in Schwangerschaft und Stillzeit:
Deutsche Schmerzgesellschaft e.V.
https://www.stillen.at/download/NewsJuni12.pdf
https://www.stillen.at/download/News_1_15.pdf
Liebe Grüße und bis bald,
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