Das Thema kurzes Zungenband ist seit einiger zeit in aller Munde. Bei oralen Restriktionen sprechen wir aber nicht nur von kurzen Zungenbändern, sondern sie beinhalten:
und im weiteren Sinne auch funktionseinschränkende Auswirkungen durch:
Ganz wichtig: nicht die Optik ist das entscheidende Kriterium, sondern die Funktion! Bänder etc. sind erst dann ein Problem, wenn sie aufgrund ihrer Ausprägung eine funktionseinschränkende Wirkung haben.
Zungenbändchen
Ein Zungenbändchen ist eine Struktur, aus einer Art Bindegewebe, dass die Zungenunterseite mit dem Mundboden verbindet. Ist diese Struktur zu kurz, zu unelastisch oder setzt sie zu weit vorne an der Zunge an, hat sie eine funktionseinschränkende Wirkung.
Die Symptome sind dabei sehr individuell und abhängig von der Ausprägung und etlichen weiteren Faktoren. Ein Zungenband muss daher multidimensional und als Komplex angesehen werden. Ganz oft gibt es neben einem Zungenband auch noch weitere Strukturen, wie Lippenband oder Wangenbänder. Aber auch hier gilt viele Menschen werden mit Bändern geboren, ohne dass diese eine funktionseinschränkende Wirkung haben.
Dabei ist es teilweise sehr schwer zu beurteilen, welche Struktur für welche Problematik verantwortlich ist. in vielen Fällen ist es schlichtweg nicht möglich. Und eigentlich auch nicht nötig, denn es ist umso wichtiger hier ganzheitlich vorzugehen. Mutter und Kind sind eine Einheit und genauso sind die oralen Strukturen und funktionsweisen als Einheit zu betrachten. Es sollten daher beide Einheiten als ein ganzheitlicher Komplex gesehen und beraten/therapiert werden.
Es macht überhaupt keinen Sinn sich nur auf einzelne Symptome zu konzentrieren und diese punktuell anzugehen, genauso wenig macht es Sinn eine restriktives Band im Quickfix (also ohne Vorbereitung und Nachsorge) einfach zu trennen, in der Hoffnung, dann seien alle Probleme behoben. Aus meiner Beratungspraxis kann ich ganz klar sagen: Das funktioniert extrem selten und in der Regel dann auch nicht mit dem Erfolg, der mitsamt einer kompetenten Begleitung und interdisziplinären herangehensweise im Team zu erreichen wäre.
Wichtig ist hier die genaue Überprüfung durch unterschiedliche Fachgruppen. Erster Ansprechpartner in der Stillzeit, bzw. im Säuglingsalter sollte hier eine entsprechend geschulte und gut fortgebildete Still- und Laktationsberaterin sein. (Auch anderes Fachpersonal kann weiterhelfen, wenn eine entsprechend gute fundierte Ausbildung im Bereich des Stillens und praktische Erfahrung um Bereich des Stillens bzw. der Stillberatung vorhanden ist.)
Das sind Beispiele für Zungenbänder in unterschiedlicher Ausprägung.
Dabei sind manche Bänder sehr deutlich zu erkennen und andere wie z.B. auf Bild Nr. 8 nur durch gezielte Griffe und Techniken wirklich darstellbar. Zudem gibt es durchaus Bänder, die trotz deutlicher Symptomatik erst einmal gar nicht darstellbar sind, weil sie tief in der Schleimhaut liegen. Hier ist viel Vorarbeit und Erfahrung nötig.
Bildquelle: drkotloworalhealth2015.pdf (kiddsteeth.com)
mögliche Symptome bei der Mutter z.B.:
mögliche Symptome beim Kind z.B.:
Das Herausstrecken der Zunge sagt überhaupt nichts über das nicht vorliegen eines kurzen Zungenbandes aus. Dieser "Test" der oft erfolgt, ist keine Funktionsüberprüfung! Zudem wachsen sich Zungen- und Lippenbänder nicht aus. Sie bleiben ein Leben lang erhalten und es kommt zu unvorteilhaften Kompensationsmustern des Körpers.
Ein Verdacht auf orale Restriktionen sollte sich niemals auf ein einzelnes Indiz stützen. Viele der Indizien bzw. Symptome können auch diverse andere Ursachen haben. Diese gilt es erst einmal zu erkennen und zu beheben. Eine gute Stillberatung und langfristige Begleitung ist also das A und O. Ein kurzer Kontakt via Telefon, Mail, Online gepaart mit ein paar Fotos und Videos reicht nicht. Weder zur Stillberatung noch zum Erkennen/Ausschließen von oralen Restriktionen.
Verbessern sich die Symptome trotz Stillberatung und Optimierung des Stillens, des Stillmanagements und des Handlings nicht in angemessener Zeitspanne, sollte ein Profi in dem Bereich schauen. Das Bedeutet z.B.: Sieht das Stillen für die Hebamme, Stillberaterin gut aus, tut aber trotzdem weh, stimmt was nicht. Stillen sollte niemals wehtun!
Das gesamte System funktioniert wie Zahnräder, laufen einzelne nicht rund, bricht irgendwann das gesamte Werk zusammen. Es kann dabei durchaus sein, dass es kurz nach Geburt zu Problemen kommt, ich sehe aber auch sehr oft, das es anfangs gut klappt und nach 4-8 Wochen kommt es zu Problemen. Bei anderen aber ggf. auch erst nach dem Durchbruch der Frontzähne oder bei der Beikost.
Wieder andere haben kein zu kurzes Zungenband, sondern eine erworbene falsche Zungenruhelage (z.B. durch Schnuller, Daumenlutschen) oder es ist schlichtweg einfach ein anatomisches Problem des Gaumens oder anderer Schädelstrukturen, die sich auf muskulärer Ebene auf das Saugen/Essen auswirken.
Vorgehen bei Verdacht auf kurzes Zungenband und Co.
Besteht der Verdacht auf orale Restriktionen sollte interdisziplinär und fachlich kompetent beraten und begleitet werden.
(Unter www.DEFAGOR.de finden Sie neben mir auch kompetente Kolleginnen, deutschlandweit.)
Das sollten Sie beachten:
Vorbereitung und Nachsorge nach einem Eingriff sind genauso wichtig wie der Eingriff selbst. Eine Trennung ist Teil eines Prozesses und kann
alleinig nicht zum selben Ergebnis kommen wie eine stilltherapeutische Begleitung mit Vor- und Nachsorge. Wie lange dieser Prozess dauert,
ist abhängig von vielen Faktoren.
Eine Frenotomie ermöglicht lediglich Bewegung aber keine Funktion. Funktion braucht Training, Umlernen,
Zeit und individuelles Vorgehen.
Nicht jede Stillberaterin, Hebamme, jeder Arzt oder Therapeut ist geschult im Bereich der oralen Restriktionen. Meiner Erfahrung nach sind nur wenige wirklich kompetent, aber viele verdienen
daran. Informieren Sie sich daher genau.
Vorsicht vor reiner Online-Videoeinschätzung und "Diagnosestellung" gepaart mit einigen Videos und Fotos. Eine reine Online-Video
Begutachtung ist extrem aufwendig und erfordert sehr viel Kompetenz von Seiten der Beraterin und eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Eltern. Hier findet keine Zeitersparnis statt, im
Gegenteil. Macht Ihnen jemand ein Angebot zur Online Begutachtung, inkl. Durchsicht einiger Fotos und Videos, seien Sie kritisch.
Wird auch direkt die Empfehlung zur Terminvereinbarung mit einem Arzt ausgesprochen, wird es eher ein Quickfix, als eine gute Begleitung.
Ist ein Trennungstermin dringlich erforderlich wird die Stillberaterin die Notwendigkeit mit dem Arzt besprechen, damit ein zeitnaher Termin gefunden werden kann. Angst ist ein schlechter
Ratgeber. Lassen Sie sich nicht verunsichern oder unter Druck setzen mit Aussagen: "ab Monat x wird nicht mehr getrennt", "sie warten Monate
auf einen Termin" oder "dann wird ihr Kind die Folgen tragen". Zudem sollte Ihnen die Wahl gelassen werden d.h. idealerweise haben sie mehrere
Ärzte zur Auswahl. (Oftmals sind die Anfahrtszeiten aber recht groß.)
Was ich Ihnen anbieten kann:
weiterführende Links:
DEFAGOR - deutsche Fachgesellschaft zur Behandlung oraler Restriktionen e.V.
das zu kurze Zungenband: Beurteilen und begleiten Daniela Karall/Martha Guóth-Gumberger aus Laktation und Stillen 2/2026
geschlossene facebook Gruppe für betroffene Familien zum Thema kurzes Zungenband/Lippenband:
Unterstützung bei Zungenband/Lippenband (Tongue Tie Support Germany) DEFAGOR